Rosshaar – man erinnert es vielleicht aus seiner Kindheit – wurde früher in Deutschland für Rosshaarsocken genutzt, die man in Gummistiefeln trug. Auch die Rosshaarmatratze oder Rosshaarkissen und -einlagen waren bekannt. In heutiger Zeit haben synthetische Materialien das Rosshaar aus dem Bekleidungsbereich weitgehend verdrängt.
Moderne Textilien werden nicht mehr aus Pferdehaaren hergestellt, weil dies unökonomisch ist. Erstens einmal schneidet man nicht einfach die Zierde eines Pferdes ab – und zweitens fressen heute die Pferde eher ihr Gnadenbrot als beim Abdecker zu landen und verwertet zu werden. Früher sammelte man das Haar aus Mähne und Schweif da, wo man Pferdezuchten betrieb. Der Landadel ließ sich aus den langen Haaren der Pferde Perücken anfertigen. Die kürzeren Pferdehaare verwendete man, indem man sie zu Zöpfen drehte und als Füllstoff für Polster verwendete. Man stellte damit unter anderem Matratzen- und Kissenfüllungen oder Reitsättel her. Schneider konnten die Rosshaare als Polster verwenden. Zuweilen verarbeitete man das Pferdehaar auch zu Decken. In anderen Handwerksbereichen stellte man damit Bürsten her, bespannte die Bögen von Streichinstrumenten oder machte Angelschnüre und Siebe daraus. Im Möbelbereich wurde die Rosshaareinlage in jüngerer Zeit wieder entdeckt, als Naturmöbel aufkamen.
Im Bekleidungsbereich konnte sich das Rosshaar relativ lange behaupten. Man verwendete Rosshaareinlagen bis in die jüngere Zeit in der Schneiderwerkstatt oder beim Kürschner, um Sakkos und Mäntel zu wattieren. Man zerrupfte das Material dazu mit einer so genannten Krempelmaschine, um es zu einem elastischen Produkt zu verarbeiten. Kürschner stellten daraus Fütterungen für Muffs oder Handwärmer her, die ebenfalls völlig aus der Mode gekommen sind. Verspinnnen kann man das feine Rosshaar leider nicht. Dazu muss man es erst mit Baumwollfasern oder Leinengarnen umspinnen. Was man im Bekleidungsbereich Rosshaar nennt, ist meist ein umsponnenes Material. Seine Verarbeitung im Bekleidungshandwerk geschah ausschließlich mit Handarbeit. Man kann sich vorstellen, dass nur hochwertige und entsprechend teure Kleidungsstücke so gearbeitet wurden. Heute verwendet man für ähnliche Textilien keine natürlichen Rosshaare mehr, sondern ein auf Viskose-Basis angefertigtes Kunstrosshaar.
In der Polsterbranche hat man die Eigenschaften des Rosshaares wieder entdeckt. Einige Naturmöbelhersteller verwenden es in hochwertigen Matratzen oder Sofa-Polsterungen. Auch ein Oberstoff oder eine historische Wandbespannung kann einen hohen Rosshaar-Anteil haben.